Anwendbares Recht: Welches Recht gilt beim Online-Handel im Ausland?

Spätestens wenn es bei einem Online-Kauf im Ausland zu Problemen kommt, stellt sich die Frage, nach welchem Recht der Kunde gegen den Händler oder der Händler gegen den Kunden vorgehen kann.

Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich bei den Vertragsparteien (Händler und Käufer) um Unternehmer oder Verbraucher handelt.

Anwendbares Recht zwischen Unternehmer und Verbraucher

1. Keine Rechtswahl getroffen

Haben Unternehmer und Verbraucher nichts weiter vereinbart, so unterliegt der Vertrag grundsätzlich dem Recht des Staats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auch in irgendeiner Weise auf diesen Staat ausrichtet.

Doch was heißt "in irgendeiner Weise ausrichten" in Bezug auf Online-Shopping?

Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 07.12.2010 (Az.: C-585/08 und C-144/09) und 6. September 2012 (Az.: C-190/11, vgl. auch Pressemitteilung Nr. 113/12) dürfte die bloße Existenz einer Internetseite hierfür nicht mehr ausreichen, auch wenn sie weltweit abrufbar ist, sich also zumindest von ihrer technischen Natur her an Verbraucher in anderen Staaten "richtet".

Der EuGH fordert vielmehr das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte und gibt hierfür Beispiele, etwa die Angabe einer Telefonnummer mit internationaler Vorwahl, Erwähnung internationaler Kundschaft, Verwendung neutraler Top-Level-Domains wie .com und .eu, Sprachwahl, etc.

Weiterhin muss die Website zu einem direkten Vertragsschluss über das Internet aufrufen und ein solcher auch tatsächlich erfolgen.

2. Rechtswahl getroffen

Etwas komplizierter wird es, wenn zwischen Unternehmer und Verbraucher eine Rechtswahl getroffen wurde.

Diese ist nicht immer wirksam. Falls sich nämlich ein Online-Angebot auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausrichtet, kann dem Verbraucher der ihm nach dem Recht dieses Staats zustehende Schutz nicht entzogen werden.

Auch nicht durch eine vermeintlich eindeutige Regelung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Richtet sich also eine Seite aus einem andern EU-Mitgliedstaat an deutsche Verbraucher, führt die Vereinbarung der Geltung des Rechts eines anderen Landes nicht dazu, dass der Verbraucher auf den Schutz nach den deutschen verbraucherschützenden Normen verzichten muss - wenn sie ihn denn stärker schützen als nach der vereinbarten Rechtsordnung.

Ist das Recht des Staats, in dem der Betreiber des Online-Shops seinen Sitz hat, für den Verbraucher günstiger als das seines eigenen Staats, ist eine entsprechende Rechtswahl des Online-Shop-Betreibers - übrigens auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen - wirksam, denn hier bedarf der Verbraucher keines weitergehenden Schutzes.

Man spricht hier vom "Günstigkeitsprinzip".

Ausnahmen zu diesen Grundregeln sind in Art. 6 Abs. 4 ROM-I-VO aufgelistet.

Danach gelten die oben erläuterten Regeln insbesondere nicht bei folgenden Verbraucherverträgen:

  •  Beförderungsverträgen (Gegenausnahme: Pauschalreisen),
  • Verträgen, die Grundstücke betreffen (Kauf, Miete; Gegenausnahme: Timesharing),
  • Dienstleistungen, sofern diese ausschließlich in einem anderen Staat, als dem des Verbrauchers erbracht werden (z. B. Ski-Kurs).

3. Wo befindet sich im Falle eines Rechtsstreits der Gerichtsstand?

Gleich, ob der Vertrag im Internet oder beim Händler vor Ort geschlossen wurde: Der Händler kann vom Verbraucher auch im Heimatstaat des Verbrauchers verklagt werden, wenn der Händler seine geschäftliche Tätigkeit (auch) auf diesen Staat ausgerichtet hat (Art. 15 Verordnung (EG) Nr. 44/2001, Brüssel-I-Verordnung).

Anwendbares Recht Zwischen zwei Unternehmern

Für internationale Verträge zwischen Händlern gilt:
 

1. Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts

Haben die Vertragsparteien einen Kaufvertrag über bewegliche Sachen oder Standardsoftware abgeschlossen, die nicht dem persönlichen Gebrauch dienen, so kann das UN-Überein­kommen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980 Anwendung finden.

Dieses Abkommen ist eine völkerrechtliche Vereinba­rung mit Regelungen zum Kaufvertragsrecht.

Es gilt nur für Fälle, in denen beide Vertragspartner aus unterschiedlichen Staaten stammen und beide Unternehmer sind.
Von diesen muss außerdem mindestens ein Vertragspartner in einem Vertragsstaat des Überein­kommens seinen Sitz haben.

2. Recht der charakteristischen Leistung

Haben die Vertragsparteien das anwendbare Recht nicht gewählt, so gilt für den Vertrag das Recht desjenigen Staates, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist.

Dies ist in der Regel das Land, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung des Vertrages erbringt, ihren Unternehmenssitz hat.

Dies ist zum Beispiel bei einem Kaufvertrag das Land, in dem der Verkäufer ansässig ist, bei dem Angebot von Software zum Download der Sitz des Software-Anbieters.

3. Rechtswahl

Grundsätzlich können die Vertragsparteien das auf ihren Vertrag anwendbare Recht selbst bestimmen.

Dies kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent (indirekt, zum Beispiel durch Verweise auf einzelne Vorschriften eines nationalen Rechts oder durch Vereinbarung eines Gerichtsstandes) geschehen.

Die Vertragsparteien können entscheiden, ob das gewählte Recht für den ganzen Vertrag oder nur für Teile des Vertrages gelten soll.

Sie können jederzeit eine andere Rechtswahl treffen. Meist wird das anwendbare Recht in einzelnen Vertragsklauseln oder in den AGB einer Partei festgelegt.

Liegt eine Rechtswahl vor, so findet dieses nationale Recht stets Anwendung.

Hierzu gibt es aber Ausnahmen:

  • Weist der Vertrag nur Verbindungen zu einem einzigen Staat auf, so kann von den zwingenden Bestimmungen des Rechtes dieses Staates nicht abgewichen werden.
  • Führt das anwendbare Recht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so wird von deutschen Gerichten eine Korrektur des gewählten Rechts vorgenommen.

Wird das Recht eines Vertragsstaates des UN-Kaufrechts gewählt, so haben diese Regelungen Vorrang, wenn die restlichen Voraussetzungen für ihre Anwendung vorliegen.

Um dies zu vermeiden, müssen die Vertragsparteien daher eine Rechtswahl unter Ausschluss des UN-Kaufrechts treffen.